Cookie Fehler:

Cookies sind in Ihrem Browser deaktiviert. Um alle Funktionen z.B. das Login nutzen zu können, müssen Cookies aktiv sein. Bitte aktivieren Sie Cookies in Ihrem Browser.

   
    Drucken Drucken  Diesen Artikel zu den Favoriten hinzufügen Favoriten

Geldautomat im Gotteshaus

Ihre großen finanziellen Probleme zwingen die christlichen Kirchen in Deutschland zu einem professionellen Immobilienmanagement.Teilweise ist auch ein Verkauf sakraler Gebäude notwendig.

.

Wo einst der Altar stand, steht heute ein Geldautomat. Seit die Dorfkirche im brandenburgischen Milow von der örtlichen Sparkasse gekauft wurde und als Filiale genutzt wird, verlassen die Dorfbewohner das Gebäude statt mit Gottes Segen mit neuen Geldscheinen. Der Erhalt des verfallenen Gebäudes war für die Gemeinde zu teuer geworden. Mit der örtlichen Sparkasse fand sich ein Käufer, der die Kirche vor dem Abriss rettete.

Die Mitgliederzahlen der christlichen Kirchen in Deutschland schrumpfen stetig. Die katholische Kirche verlor zwischen 2000 und 2005 fast eine Million Mitglieder. In ähnlicher Weise sank die Mitgliederzahl in der evangelischen Kirche von rund 26 Millionen Mitgliedern im Jahr 2002 auf etwa 25 Millionen im Jahr 2005. Diese Entwicklung führte zu dramatisch rückläufigen Kirchensteuern und zwingt die evangelischen und katholischen Kirchen in Deutschland nicht nur zur Fusion von Pfarrgemeinden, sondern auch zum Verkauf eines Teils ihres großen Immobilienvermögens, dessen Gesamtwert geschätzt 160 Mrd. Euro beträgt.

Patentlösungen gibt es nicht
Patentlösungen für einen professionellen Umgang mit den sakralen Gebäuden gibt es nicht, schließlich ist für die meisten Menschen eine Kirche als das weithin sichtbare und weltweit bekannte Merkmal der Christenheit mehr als eine Immobilie – und damit mit vielen Emotionen verbunden. Wirtschaftliche Überlegungen spielten nie die tragende Rolle beim Bau von Kirchen. Sonst wäre in Speyer nie eine Kirche von solch gigantischen Ausmaßen errichtet worden. Der Kaiser- und Mariendom zu Speyer ist die größte noch erhaltene romanische Kirche der Welt und steht seit 1981 auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes.

Doch Gefühle und Tradition sind die eine, akute Geldsorgen die andere Seite der Medaille. In der evangelischen Kirche sind die Einnahmen von mehr als vier Milliarden Euro im Jahr 2002 auf etwa 3,6 Milliarden Euro im Jahr 2005 gesunken. Auch die katholische Kirche hat vergleichbare mone-täre Probleme. Es gibt drei wesentliche Ursachen, die für die rückläufigen Einnahmen entscheidend sind: hohe Arbeitslosigkeit, Kirchenaustritte und die Überalterung der Gesellschaft – ein immer größerer Teil der Deutschen ist im Rentenalter und zahlt daher keine oder nur wenig Kirchensteuer.

Die Finanznot hat zur Folge, dass seit einigen Jahren der Verkauf von kirchlichen Immobilien, darunter auch sakrale Gebäude, den Kirchen zwar nicht unbedingt leicht fällt, aber längst kein Tabu mehr ist. Am ehesten anfreunden können sich die Glaubensgemeinschaften mit der Umnutzung für gemeindliche und soziale Zwecke, als Altenheim, Jugend- oder Kulturzentrum beispielsweise. So wird die Kirche St. Martin in Essen-Rüttenscheid zu einem Pflege- und Altenheim umgebaut.

Ja zu Wohnungen, nein zu Spielhallen
Eine soziale Umnutzung ist aber nicht immer möglich, so dass sich zum Teil auch ungewöhnliche Lösungen finden. In der St.-Wolfgang-Kirche in Wörth am Main wurde das Schifffahrts- und Schiffbaumuseum untergebracht, in der evangelischen Lutherkirche in Berlin-Spandau, die zu groß für die Gemeinde geworden war, wurden neun Wohnungen eingerichtet. Dazu wurde die Kirche mit einer schalldichten Wand zweigeteilt. Der Ostteil ist in voller Höhe Sakralraum und wird weiterhin für kirchliche Zwecke genutzt. Im Westteil sind im Erdgeschoss Gemeinderäume untergebracht, darüber befinden sich die Wohnungen.

Weil die Um- und Mehrfachnutzungen für Protestanten, die das Kirchengebäude nur während des Gottesdienstes als sakralen Raum betrachten, seit langem üblich sind, fällt ihnen der Verkauf auch an nicht-karitative Käufer oft leichter als den Katholiken. Bestimmte Erwerber kommen aber für beide Konfessionen nicht in Frage: Diskotheken, Spielhallen oder vergleichbare Einrichtungen werden kategorisch abgelehnt. Profane Nutzung ja, unwürdige nein, lautet das Credo. Doch das Kauf-Interesse für die Gotteshäuser hält sich ohnehin in Grenzen, da die Drittverwendungsfähigkeit begrenzt ist und sich Käufer oft an Denkmalschutzbestimmungen halten müssen.

Strategische Perspektiven entwickeln
Langfristig ist den Glaubensgemeinschaften mit dem gelegentlichen Verkauf einzelner Immobilien nicht geholfen. Notwendig ist vielmehr ein ganzheitliches, systematisches und zielorientiertes Management ihrer Liegenschaften. Dafür ist in einem ersten Schritt eine systematische Bestandsaufnahme erforderlich. Doch dies stellt viele Bistümer und Landeskirchen vor große Herausforderungen, da ihr Immobilienbestand in der Regel extrem heterogen und intransparent ist. Dies führt dazu, dass sich beispielsweise objektbezogene Aussagen über Kosten Erlöse und nur schwer treffen lassen.

Schrittweise gehen die Kirchen daher mittlerweile dazu über, ihre Bestände genau zu erfassen und zu bewerten, damit eine detaillierte Analyse des Immobilienportfolios erfolgen kann. Darauf aufbauend lassen sich strategische Perspektiven entwickeln und konkrete Entscheidungen über die weitere Nutzung oder die Aufgabe von Immobilien treffen. Ein wichtiger Schritt bei der Implementierung einer ganzheitlichen Immobilienmanagementstrategie ist unter anderem die Umstellung der Buchhaltung von der Kameralistik auf die Doppik sowie die Einführung eines bedarfsgerechten IT-Systems.

Bevorzugter Verkauf von nicht-sakralen Gebäuden Der Immobilienbestand der Kirchen umfasst sakrale Gebäude wie Kirchen und Kapellen sowie zahlreiche karitative und soziale Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Pflegeheime und Krankenhäuser, außerdem Wohnungen und unbebaute Grundstücke. Die sakralen Gebäude machen bei beiden christlichen Glaubensgemeinschaften insgesamt etwa ein Drittel des Immobilienbestandes aus.

Sinnvoll ist es in vielen Fällen, zunächst die nicht-sakralen Gebäude daraufhin zu prüfen, ob sie für einen Verkauf in Frage kommen. Die Verwertung dieser Objekte ist im Regelfall nicht nur leichter durchführbar; mit der Trennung von geweihten Räumen wie Kirchengebäuden und Kapellen schwindet zudem auch die öffentliche Wahrnehmung der Kirche. Darüber hinaus ist Zahl der interessierten Investoren, die zugleich aus Sicht der Kirchen als neuer Besitzer auch in Frage kommt sehr beschränkt.

Die ersten Bestandsanalysen der kirchlichen Liegenschaften haben sukzessive dafür gesorgt, dass Kosten und Erlöse nachvollziehbarer geworden sind. Mehr Transparenz heißt aber auch, dass Probleme offenkundig werden. So hat sich gezeigt, dass der kirchliche Immobilienbestand einen riesigen Instandhaltungsstau aufweist. Für die evangelischen und katholischen Kirchen zusammengenommen liegt er bei geschätzt mehr als sechs Milliarden Euro. Er muss so schnell wie möglich aufgelöst oder zumindest minimiert werden, da sich die Situation täglich verschärft. Dies wird der nächste folgerichtige Schritt für die Kirchen in Deutschland sein müssen.