Digitales Bauen - Das Ausland zum Vorbild nehmen
Baukosten und Zeitpläne – die Probleme damit sind in Deutschland offensichtlicher denn je. Deutschland könnte hier vom Ausland lernen. Das Stichwort lautet „digitales Bauen“. Das Thema gilt als die größte Innovation im Bau seit Jahrzehnten. Während andere Länder schon längst in der Umsetzung sind, hinkt Deutschland hinterher. Noch.
Was ist „digitales Bauen“?
Ein Grund für den zögerlichen Einzug ist sicherlich ein oft noch mangelndes Verständnis darüber, was „digitales Bauen“ überhaupt ist. Daran ändert sich wenig, wenn synonyme Begriffe wie „Gebäudedatenmodellierung“ oder „Building Information Modeling“ (BIM) verwendet werden. Denn auf den ersten Blick scheint digitales Bauen schlicht eine neue Software zur Gebäudeplanung zu sein. Jedes zu verbauende Element wird im Gebäude verortetes entsteht eine computergenerierte dreidimensionale Ansicht des künftigen Gebäudes. Das wäre nichts Neues. Auf den zweiten Blick jedoch wird deutlich: Hinter jedem Bauteil stehen Informationen unter anderem über die Kosten sowie die voraussichtliche Einbau- oder Realisierungszeit. Darüber hinaus werden auch Informationen darüber verbucht, welche Anforderungen ein bestimmtes Element hat, um seiner Funktion im Gebäude gerecht werden zu können, und wie es sich wiederum auf die Funktionalität anderer Bauteile auswirkt. Ändert sich der Entwurf in einem Punkt, so wird ersichtlich, welche Folgewirkungen für das Gesamtgebäude resultieren.
Vorteile im Vorfeld und während des Bauens
Digitales Bauen umfasst Architektur und Gebäudetechnik sowie die baubezogenen Prozesse und verzahnt sie in hohem Maße. Dies bietet nicht nur im Vorfeld Chancen für eine Optimierung der Planung, sondern auch noch während der Realisierung eines Bauprojekts: Eventuell auftretende Änderungen können beispielsweise mit Blick auf Qualitäts- oder Ausführungsstandards während des Baufortschritts reibungsloser berücksichtigt werden – denn die Auswirkungen und eventuell erforderliche weitere Änderungen werden über das digitale Modell für alle Beteiligten sofort transparent. Hierin besteht einer der wesentlichen Vorteile für den Anwender und den Bauherrn: in den umfassenden, offen zugänglichen und von mehreren Parteien gleichzeitig nutzbaren Gebäudeinformationen über den kompletten Lebenszyklus von Realisierung und Betrieb über Schritte wie Umnutzung und Sanierung bis hin zu Abbruch und Entsorgung. Nur sind die Vorteile wie dargestellt in der öffentlichen Wahrnehmung noch längst nicht auf breiter Front verankert.
Wenig Erfahrung
Die wenigen bisherigen Initiatoren digitalen Bauens sind hierzulande meist im privatwirtschaftlichen Feld zu finden: Häufig waren es Generalplaner oder Generalunternehmern, die Gebäudedatenmodelle initiiert haben. Sie haben – bedingt durch ihre Organisationsform – einerseits den größtmöglichen direkten Einfluss auf die komplexe Schnittstellenkoordination zwischen Planern und bauausführender Instanz und profitieren andererseits am meisten von einem effizienten Planungs- und Bauablauf. Wenig überraschend dabei: Generalunternehmer setzen solche Systeme bislang insbesondere dann ein, wenn sie Gebäude selbst planen und betreiben sowie gegebenenfalls auch finanzieren.
Das Ausland ist weiter
Anders beispielsweise in Großbritannien, den Niederlanden, Dänemark, Finnland oder Norwegen. Dort wird die Nutzung solcher Systeme bei öffentlich finanzierten Bauvorhaben sogar vorgeschrieben, und in vielen anderen Ländern tastet man sich ebenfalls längst an das Thema heran – darunter findet sich beispielsweise auch die Schweiz. Es sei zudem angemerkt, dass sich unter den wenigen digitalen Bauherren in Deutschland oft Unternehmen finden, die aus solchen Ländern kommen, in denen die Gebäudedatenmodellierung vorgeschrieben ist.
Deutschland wird nachziehen
Allerdings ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die öffentliche Hand in Deutschland nachziehen wird – voraussichtlich ab 2018 wird die Gebäudedatenmodellierung als Methode für Bauvorhaben der öffentlichen Hand verpflichtend. Möglicherweise verhilft die EU dem System in Deutschland sogar schon früher zum Durchbruch. Die Empfehlung des EU-Parlaments, das Vergaberecht mit dem Einsatz von computergestützten Gebäudedatenmodellen zur Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen und Ausschreibungen vorzusehen und damit zu modernisieren wird bald durch erste Pioniere erprobt. Erste öffentliche Auftraggeber befassen sich bereits mit der Einführung von BIM: so entsteht erster Beratungsbedarf, um die Einführung für diese Pilotprojekte gewinnbringend zu gestalten.
Fazit
Digitale Gebäudemodelle, die Gestaltung, Bauprozess und Nutzung miteinander verzahnen, sind im Ausland teilweise Standard, in Deutschland noch nicht. Private Bauherren und Bauunternehmen sollten sich des Themas dennoch bereits jetzt annehmen. Das digitale Bauen kommt so oder so; als Startschuss wird 2018 gehandelt, der Druck kommt von der EU und von der Bundesregierung. Vorteile wie eine bessere Kontrolle der Baukosten und der Zeitpläne sprechen ohnehin dafür, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen.